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Präsident Franz Titschenbacher und Präsident Josef Herk präsentierten den Pakt für die Entwicklung des Landes © LK-Danner

Gemeinsame Initiative

Pakt für die Entwicklung des Landes

Ein Artikel von Andrea Sturm | 14.01.2021 - 13:57

Titschenbacher und Herk fordern darüber hinaus auch eine nachhaltige Strategie zur Weiterentwicklung der Regionen ein. Dazu wurde ein gemeinsames Fünf-Punkte-Programm aufgestellt.

1. Wir brauchen einen Weg der Planbarkeit

• In herausfordernden Zeiten wie diesen braucht es ein klares Bekenntnis zu einer Kultur des Ermöglichens. „Wir können unsere Betriebe nicht im Dauer-Lockdown belassen“, betonen die beiden steirischen Präsidenten von Landwirtschaftskammer und Wirtschaftskammer, Franz Titschenbacher und Josef Herk. 2021 müsse das Jahr werden, in dem wir unsere Freiheit zurückgewinnen und das gehe nur mit einer klaren Test- und Impfstrategie. „Es braucht Planbarkeit statt scheibchenweiser Verlängerung des Lockdowns. Der wirtschaftliche Spielraum dafür ist aufgebraucht“, mahnt Herk einen Kurswechsel in Richtung wirtschaftlicher Öffnung unter klaren Spielregeln und nochmals verstärktem Schutz für Risikogruppen ein.

• Viele Branchen in der gewerblichen Wirtschaft und in der Landwirtschaft hängen am seidenen Faden: In der Landwirtschaft leiden die Geflügel- und Rinderbauern, insbesondere die Schweinebranche sowie die Gemüsebauern und andere Sparten – sie brauchen einen Verlust-Ersatz. Denn Gastronomie und Tourismus fallen als Großabnehmer durch die Corona-Einschränkungen aus. Dazu stehen auch viele Dienstleister vor existenziellen Fragen, selbiges gilt für die gesamte Veranstaltungsbranche sowie weite Teile des Handels.

• Ein vierter Lockdown bzw. eine Dauer-Verlängerung der bestehenden Einschränkungen bis Ostern oder darüber hinaus muss unter allen Umständen vermieden werden. Das Blatt für die Bauernhöfe und Unternehmer müsse sich hier baldigst wenden, damit sich Zuversicht entwickeln kann. Mit der Möglichkeit des „Reintestens“ wird das Fundament in die richtige Richtung gebaut.

2. Jeder zugesperrte Hof und Betrieb ist einer zuviel

• Viele Regionen kämpfen unter den Folgen einer Abwanderung. Diese kann nur mit einer starken landwirtschaftlichen und gewerblichen Wirtschaft abgemildert werden, darum müssen die Rahmenbedingungen für landwirtschaftliche und gewerbliche Produktion entsprechend attraktiviert werden. „Unser Ziel ist es, eine nachhaltige Trendumkehr einzuleiten“, so Titschenbacher und Herk. Einen Betrieb zu erhalten bzw. zu übergeben sei hier wesentlicher einfacher als einen neuen anzusiedeln. Darum haben sowohl die Landwirtschaftskammer als auch die Wirtschaftskammer umfangreiche Bemühungen gestartet, Übergaben zu erleichtern. So werden an die 300 Hofübergaben jedes Jahr aktiv begleitet. Selbiges gilt für die gewerbliche Wirtschaft, wo an die 1000 Matchings von Angebot und Nachfrage pro Jahr im Rahmen der Initiative „Follow me“ verzeichnet werden. Aktuell sind 400 Unternehmen bei „Follow me“ zur Übergabe gelistet. „Bis zum Jahr 2027 stehen 5.200 Unternehmen zur Übergabe an, rund 51.000 Arbeitsplätze hängen an deren Weiterführung“, betont Herk.

• Die Selbstversorgung mit wichtigen Lebensmittel und agrarischen Rohstoffen sollten in die Bundesverfassung aufgenommen werden, um dem Wert der Landwirtschaft gerecht zu werden.

• Entbürokratisierung im Verfahrensbereich vorantreiben, speziell im UVP-Verfahren. Die an der WKO Steiermark angesiedelte Standortanwaltschaft begleitet hier zum Teil Verfahren, die sich über Jahre ziehen und Millionen kosten. „Das ist ein klares Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung der steirischen Regionen“, so Herk. Viele Regelungen fallen hier unter sogenanntes „Gold Plating“, also die Übererfüllung von europäischen Rechtsnormen. „Es braucht ein wirtschafts- und bauernfreundliches Bau- und Raumordnungsgesetz, um Bauten einfacher und rascher zu ermöglichen“, ergänzt Titschenbacher. Nach Vorbild der gewerblichen Wirtschaft könnte sich Titschenbacher darum auch eine Standort-Anwaltschaft für die Landwirtschaft abseits der UVP-Verfahren vorstellen.

3. Heimische Produkte sind ein Mehrwert für die Region

• Corona hat das Bewusstsein für regionale Produkte und Lebensmittel, aber auch Dienstleistungen in den Fokus gerückt. Eine WIFO-Studie zeigt, dass eine kleine Änderung im Einkaufsverhalten eine große Wirkung hat: 3,50 Euro Ersatz pro Haushalt und Monat schafft 500 neue Arbeitsplätze, stärkt die Höfe und schützt das Klima.

• Landwirtschaft braucht eine neue Wertigkeit und Qualitätsstandards im internationalen Handel. Titschenbacher: „Künftige Handelsabkommen müssen sicherstellen, dass nur Agrarprodukte dann Zollfrei behandelt werden dürfen, wenn diese den hohen europäischen Qualitäts-, Tierschutz- und Sozialstandards entsprechen.“ Und weiter: „Lebensmittel und Agrargüter, die mit in der EU verbotenen Substanzen oder Verfahren hergestellt werden, müssen mit einem Importverbot belegt werden.“

• Im Sinne eines fairen Wettbewerbs werden einheitliche gesetzliche Spielregeln gefordert, speziell was die Besteuerung betrifft. Hier braucht es einen Schulterschluss gegen die Steuerschlupflöcher der großen Internetkonzerne, zum Beispiel durch die Schaffung einer digitalen Betriebsstätte. „Das würde auch die kleinstrukturierte Wirtschaft in den Regionen entlasten“, so Herk. „Als WKO unterstützen wir unsere Betriebe bei der Digitalisierung und haben unter wko.at/steirischeinkaufen eine eigene Plattform mit regionalen Onlineanbietern ins Leben gerufen.“ Auf dieser sind mittlerweile fast 3.500 Betriebe gelistet.

4. Neue Jobs durch Bionenergie und Klimaschutz

• Landwirtschaft und gewerbliche Wirtschaft bekennen sich zum Klimaschutz und zum Ausbau erneuerbarer Energien.

• Aus Sicht der WKO braucht es dazu vor allem einen Ausbau der Wasserkraft, da nur so die Volatilität der Stromnetze gesichert werden könne. Priorität habe hier der Ausbau des Pumpspeicherkraftwerks Koralpe, das aktuell um die Genehmigung kämpft und von der WKO stark befürwortet wird.

• Seitens der Landwirtschaftskammer wird Wärme, Strom und Diesel aus Bioenergie und Biomasse forciert. Titschenbacher: „Sie sind die Zukunft einer fossilenergiefreien Zeit. Die Zusammenarbeit mit lokalen Gewerbetreibenden wie Installateuren, Kesselbauern und Elektrikern ist hier entscheidend. Denn von der Wirtschaft kommen hier die Komponenten und Anlagenteile, von den Bauern ein unverzichtbarer Anteil von Biowärme, Ökostrom und Holzdiesel.“ 600 steirische Biomasseheizwerke nutzen ein Million Festmeter Holz, schaffen dabei 120 Millionen Euro regionale Wertschöpfung und sichern so 1.000 steirische Jobs. Jährlich werden in der Steiermark über 3.500 moderne Biomassekessel neu installiert. Diese werden mit Pellets, Stückholz oder Hackschnitzel betrieben.

• Unter dem Titel „Klima-Energie & Nachhaltigkeit“ haben die steirischen Sozialpartner darüber hinaus eine umfangreiche Strategie ausgearbeitet, die in Bälde präsentiert werden soll.

5. Digitalisierung bis zur Bergspitze

• Chancengleichheit für den ländlichen Raum: Der ländliche Raum ist als Lebensraum sehr attraktiv, seine Arbeitsplätze brauchen aber dieselbe Attraktivität wie im urbanen Bereich. Der große Handlungsbedarf liegt beim Ausbau des schnellen Internets bis zur Bergspitze, es ist sowohl für die gewerbliche Wirtschaft als auch die Landwirtschaft ein entscheidender Produktionsfaktor. „Fehlt dieser, verliert das Land. Wir setzen uns für den raschen Ausbau der digitalen Autobahnen ein – auch aus den gewährten Töpfen des EU-Wiederaufbaufonds“, so Titschenbacher und Herk. Darum unterstützt man auch die Breitbandstrategie des Landes und fordert mit Nachdruck den raschen Glasfaser-Ausbau.