Expert_innen der Volkshilfe Wien und des MILA Mitmach-Supermarkts präsentieren während der gesitteten Demonstration konkrete Lösungsansätze. “Wir brauchen dringend Maßnahmen, die Lebensmittel jetzt wieder leistbar machen”, betont Michael Fedorcio von #aufstehn. “Weder die bisher angekündigte Shrinkflation-Kennzeichnung, noch die Abschaffung des Österreich-Aufschlags, bringen eine schnelle Entlastung. Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer muss jetzt handeln”, erklärte er angesichts der Tatsache, dass ein wöchentlicher Lebensmitteleinkauf in Österreich heute fast doppelt so viel kostet wie im Jahr 2021.
In Österreich können sich mittlerweile über 300.000 Menschen keine ausgewogene Mahlzeit mehr leisten. “Am härtesten trifft die Teuerung jene, die unsere Gesellschaft am Laufen halten: Frauen, Familien, Pensionist_innen. Menschen, die Tag für Tag beitragen, pflegen, erziehen, arbeiten. Wenn Lebensmittel unleistbar werden, raubt das auch Zukunft. Denn jedes fünfte Kind in Österreich ist armutsbetroffen. Wir brauchen daher leistbare und gesunde Lebensmittel – denn bei immer mehr Menschen geht es längst nicht mehr ums Leben, sondern ums Überleben”, so Tanja Wehsely, Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien.
Lebensmittelkonzerne erzielen Millionengewinne
Mit dem Profit von Spar und REWE aus dem Jahr 2024 könnte man beispielsweise allen Kindern in Österreich fast ein Jahr lang täglich ein Mittagessen im Kindergarten finanzieren. Dass Handel auch anders funktionieren kann, zeigt Brigitte Reisenberger, Mitgründerin des MILA Mitmach-Supermarkts: “Als Genossenschaft, die allen Mitgliedern gemeinsam gehört, wirtschaften wir ohne Profitmaximierung, entscheiden demokratisch und schaffen faire Preise. Damit solche Ansätze wachsen können, braucht es gezielte politische Unterstützung: gemeinschaftlich organisierte Lebensmittelmärkte, transparente Lieferketten und Maßnahmen gegen Marktkonzentration.“
Zivilgesellschaft übergab die Rechnung
Minister Hattmannsdorfer ließ sich für die Übergabe der Einkaufsrechnung entschuldigen. “Wir hätten dem Minister gerne persönlich erklärt, warum es endlich gezielte Maßnahmen braucht, um die Menschen bei den Lebensmittelkosten zu entlasten. Doch auch wenn er heute nicht gekommen ist – die Rechnung liegt jetzt auf dem Tisch“, so Fedorcio. Auf dem 4,5 Meter langen Kassenbon sind die über 20.000 Unterschriften des #aufstehn-Appells “Lebensmittel wieder leistbar machen!” abgedruckt.
Parteien urgierten in Brüssel
Bereits in der Vorwoche gab es einen Vorstoß der Regierungsparteien in Brüssel. NEOS, ÖVP und SPÖ traten geschlossen auf, um den „Österreich-Aufschlag“ zu beenden.
Dass österreichische Konsumentinnen und Konsumenten bei Produkten des täglichen Bedarfs oft mehr als Menschen in Deutschland oder anderen EU-Mitgliedstaaten bzehalen, liegt nicht an höheren Produktions- oder Transportkosten, sondern an territorialen Lieferbeschränkungen (Territorial Supply Constraints, TSC). Diese Praktiken verhindern, dass der Handel Waren dort einkaufen kann, wo sie günstiger angeboten werden. Sie verzerren den Wettbewerb, treiben die Preise künstlich in die Höhe und schwächen die Kaufkraft österreichischer Haushalte.
Um diese Preisaufschläge abzuschaffen, haben die österreichischen Regierungsparteien NEOS, ÖVP und SPÖ eine gemeinsame schriftliche Anfrage an die Europäische Kommission gestellt. Sie fordern konkrete Maßnahmen zur Vollendung des Binnenmarkts und zur Beendigung des Österreich-Aufschlags als Teuerungstreiber.
Die Dringlichkeit dieser Initiative wird durch aktuelle Daten unterstrichen: Die Inflation in Österreich betrug laut Schnellschätzung der Statistik Austria im Oktober 4 Prozent, eine Studie der Europäischen Kommission zeigt, dass die Abschaffung territorialer Lieferbeschränkungen den europäischen Haushalten Einsparungen von bis zu 14 Milliarden Euro jährlich bringen könnte. Für Österreich würde das eine direkte Entlastung der Bevölkerung bedeuten und einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Teuerung leisten.