Reportage

Auf der Schokoladenseite

Ein Artikel von Andrea Sturm | 03.03.2022 - 16:33
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Familienprojekt Bio-Produktion: Martin, Brigitta und Manuel Schickmaier sorgen für nachhaltigen Genuss von süß bis herzhaft. © Andrea Sturm

Zuletzt begeisterte die Oberösterreicherin das RTL-Publikum als Jurorin in der Back-Show „Masters of Sweet” mit österreichischem Charme, langjähriger Jury-Erfahrung – und mit Himbeeren als Schnapsglas. Die gekonnte Leichtigkeit auf dem Bildschirm könnte beinahe vergessen lassen, wie viel Wissen und Erfahrung nötig sind, um die besten KandidatInnen aus dem deutschsprachigen Raum bewerten zu können. Doch Wettbewerbe begleiten Brigitta Schickmaiers berufliche Laufbahn, seit sie mit 18 Jahren beim Bundeslehrlingswettbewerb reüssierte, und das Kräftemessen mit anderen gehört für sie einfach dazu. Sie kennt die Herausforderungen von allen Seiten – als Teilnehmerin, als Trainerin und als Jurorin. 2008 gewann sie die Austrian Chocolate Masters, 2015 führte sie als Trainerin das österreichische Team bei der Konditoren-WM zum dritten Platz. 2018, beim Vienna Cake Master, zementierte Brigitta Schickmaier ihren Legendenstatus, als sie den Bewerb gewann, obwohl die erste Version ihres Schaustücks komplett in sich zusammengebrochen war.

„Zwar habe ich mir in dem Moment geschworen, nie wieder selbst an einem Wettbewerb teilzunehmen, aber auch das war eine wichtige Erfahrung”, erzählt Brigitta Schickmaier. „Wenn ich SchülerInnen ausbilde oder WettbewerbsteilnehmerInnen trainiere, kann ich ihnen damit vermitteln, dass Aufgeben keine Option ist. Irgendetwas geht immer schief. Da muss man durchatmen und weitermachen.” Mit den eigenen Erfahrungen im Kopf hat sie auch als Jurorin große Empathie für die TeilnehmerInnen, aber die Sache muss immer im Mittelpunkt stehen. „Wenn ich eine Arbeit bewerte, geht es ausschließlich um die Leistung. Geschmack und Erscheinungsbild der Kreationen stehen im Mittelpunkt, persönliche Sympathien dürfen keine Rolle spielen. Es muss völlig egal sein, wer die Exponate gemacht hat, oder wie es mir selbst gerade geht. Wenn es 50 Sorten Pralinen zu verkosten gibt, dann müssen 50 Sorten Pralinen objektiv bewertet werden, egal ob man noch Lust darauf hat – und das kann ich, das habe ich mir erarbeitet”, betont Schickmaier.

Heuer hat sie auch den Juryvorsitz beim Internationalen Konditorenwettbewerb übernommen, der im März in der BÄKO Linz über die Bühne geht. Neben der Bewertung selbst muss die Oberjurorin darauf achten, dass alles mit rechten Dingen zugeht, und dass niemand unter den JurorInnen sich selbst einen Vorteil oder anderen einen Nachteil bereitet. „Fairness ist mir extrem wichtig. Das habe ich auch in der Vorbereitung auf ,Master of Sweet’ betont: Wenn es ein echter Wettbewerb ist, bin ich dabei – aber wenn es nur Show sein soll, interessiert mich das nicht.”

Konditorei der anderen Art

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Schönschrift in Großväterlicher Tradition: Brigitta Schickmaier verfasst die schönsten Glükwünsche. © Andrea Sturm

In ihrer eigenen „Konditorei der anderen Art” hat sich Brigitta Schickmaier auf Anlassund Bedarfstorten spezialisiert. Zwar hatte sie nach ihrer Meisterprüfung bereits Pläne und ein Grundstück für eine Konditorei der ganz herkömmlichen Art, doch als ihr Mann den elterlichen Hof übernahm, entschied sie sich, ebendort eine Backstube ohne Café zu eröffnen. Mit dieser Entscheidung ist sie bis heute glücklich. „Das Kaffeehaus wäre sicher auch schön geworden, wir hatten schon detaillierte Pläne dafür. Aber mit den wechselnden Aufträgen habe ich einfach mehr Möglichkeiten, kreativ zu bleiben”, erklärt sie.

Egal ob es sich um eine Festtagstorte für 200 Personen oder um ein kleineres Stück für eine ganz besondere Gelegenheit handelt, jedes Einzelstück wird mit natürlichen und besten Zutaten gefertigt. „Eine Mehlspeise muss vor allem schmecken. Sie darf nicht nur süß sein, sie muss richtig und ehrlich schmecken, mit echter Vanille, echter Zitrone, sonnengereiften Früchten – das ist das Wichtigste”, betont sie. Auch Sonderwünsche erfüllt die Konditorei der anderen Art prompt: Ein von Brigitta Schickmaier schokoladig geschnitztes Portrait versüßte dem ehemaligen BÄKO-Geschäftsführer Franz Reischl den Abschied in den Ruhestand.

Veganer Teig kommt bei Brigitta Schickmaier dagegen nicht in die Rührschüssel. „Es ist natürlich ein wachsender Markt, aber dafür gibt es auch SpezialistInnen, die ich im Bedarfsfall gerne empfehle. Selber habe ich eine Bio-Konditorei – die Eier kommen von den Hühnern des Nachbarn, die laufen frei herum, Milch und Mehl sind ebenfalls regional und Bio. Ich glaube nicht, dass die Produktion nachhaltiger wird, wenn man Ersatzprodukte verwendet, die um den halben Globus transportiert werden und aus Ländern kommen, die deutlich ärmer sind als Österreich”, ist sie überzeugt.

Ein besonderes Anliegen ist es Brigitta Schickmaier auch, ihr gesammeltes Wissen weiterzugeben. In verschiedenen Kursen begleitet sie angehende KonditorInnen auf dem Weg zur Lehrlings- oder Meisterprüfung. „Ich werde immer wieder gefragt: Warum unterrichtest du Quereinsteiger, die dann selbstständig werden können? Ganz klar: Weil sie dann Kollegen sind, die genau die gleichen Rechte und Pflichten haben wie wir”, erklärt Schickmaier, „gefährlich für das Gewerbe sind die, die alles schwarz machen. Diejenigen, die wirklich etwas erreichen wollen, sollte man fördern.” Bereits 700 MeisterInnen hat sie unterrichtet, aber langweilig wird ihr auch das nicht. „Es ist immer wieder toll, zu sehen, mit welcher Begeisterung der Nachwuchs bei der Sache ist. Und man bleibt auch selbst am Puls der Zeit und erlebt, wie sich das Handwerk verändert.”

Es bleibt spannend

Auch der Bauernhof von Martin und Brigitta Schickmaier ist auf Bio-Produktion spezialisiert, die Aufgaben greifen sozusagen ineinander. Mehrere Standbeine zu haben, ist wichtig, ist die vielbeschäftigte Konditorin überzeugt. Ob es in Zukunft genau so oder ganz anders weitergeht, lässt sie offen – auch für sich selbst. „Es kommen sicher weitere spannende Aufgaben, ich weiß nur noch nicht genau, welche”, schmunzelt Brigitta Schickmaier. „In letzter Zeit haben mich etwa Kollegen und Kolleginnen in ihre Backstuben gerufen, um ihren Mitarbeitern einen Motivationsschub zu geben und ihnen nebenbei paar neue Techniken zu zeigen.

Aber ich kann mir alles Mögliche vorstellen. Wichtig bleibt für mich, dass die Kreativität nicht zu kurz kommt, und dass ich hier in Pettenbach meinen Rückzugsort mit der Familie habe.” 

Der Schoko-Virus ist jedenfalls auch innerhalb der Familie bereits übergesprungen: Sohn Manuel hat mit seinen palmölfreien Schokocremen „Hanfessa” und „Sunfessa” den Nerv der Zeit getroffen, die Produktion am elterlichen Bauernhof wird derzeit gerade ausgebaut.