Berufsschul-Urgestein Willi Englstorfer aus Molln überbrachte süße Grüße vom Illecker. © Andrea Sturm
Bei bestem Spätsommerwetter fanden sich zur Jubiläumsfeier in der Konditorei und im eigens errichteten Festzelt zahlreiche GratulantInnen und Gäste ein. Hundert Jahre sind Grund für ein ganz besonderes Fest, und Johanna Kemetmüller setzte dafür auf die bewährte Mischung von Konditorkunst und Kultur. Für die Gäste gab es die Möglichkeit, unter fachlicher Anleitung Lebkuchenherzen zu verzieren, Marzipanrosen zu modellieren oder Schaumrollen zu füllen, was besonders bei den Kleinen gut ankam.
Andere überließen die Arbeit den Profis und naschten stattdessen von den vorbereiteten Kuchen, Torten und Eisspezialitäten. Radiomoderator Reini Gruber übernahm die Moderation, musikalisch sorgten die Presshouse Family und das Jure Tori Trio für Stimmung. Johanna Kemetmüller gab sich bescheiden: „Besonders danken möchte ich meiner Familie und meinen MitarbeiterInnen. Ich habe die besten Mitarbeiter, die es überhaupt gibt“, erklärte sie.
Von der Bäckerei zur Konditorei
Mitten in Spital am Pyhrn lädt die Konditorei Bewohner und Touristen zu einer süßen Jause ein. © Andrea Sturm
Die Geschichte des Hauses beginnt 1925. Alois und Katharina Kemetmüller, frisch im Ort angekommen, eröffneten eine Bäckerei. „Süßes gab es aber damals auch schon – auf den alten Fotos ist neben ‚Bäckerei‘ auch der Schriftzug ‚Conditorei‘ zu sehen“, erzählt Johanna Kemetmüller. Der Sohn des Gründerpaares, Gustav Kemetmüller, verbrachte nach dem Krieg zwei Jahre in der Schweiz und kam mit einer neuen Leidenschaft für hochwertige Konditor-Produkte zurück. 1959 übernahmen Gustav und Theresia Kemetmüller. Im Lauf der Jahre vergrößerten sie das Café und fügten eine Terrasse hinzu. Die Bäckerei bestand bis 1987, doch auch heute noch gibt es bei Kemetmüller frisches Brot: Es kommt aus der Bäckerei Steindl aus Liezen.
Ein Sprung ins kalte Wasser
Johanna Kemetmüller hatte eigentlich andere Pläne: Sie hatte maturiert und zielte auf ein Studium. Als ihre Mutter schwer erkrankte und gleichzeitig der als Nachfolger vorgese hene Bruder sich anders entschied, entschloss sie sich, ein Jahr lang im elterlichen Betrieb auszuhelfen. Bald darauf übernahm sie die Verantwortung, holte die Bäcker- und Konditor-Ausbildung nach und entschloss sich, den Betrieb weiterzuführen: „Ich bin 1987 ins kalte Wasser gehüpft“, erinnert sie sich, „es waren auch die Übernahmebedingungen nicht ideal, aber ich war jung. Viele Jahre lang wusste ich nicht, ob ich es schaffen werde.“
In so einer Situation ist es besonders wichtig, sich auf die Mitarbeiter verlassen zu können. Johanna Kemetmüller hat dafür ihren ganz eigenen Zugang entwickelt. „Ich bin keine Respektsperson, und ich will auch gar keine sein. Für mich ist das Arbeitsumfeld wie eine große Familie. Man braucht Vertrauen zueinander, und man verbringt oft mehr Zeit miteinander als mit der eigentlichen Familie. Wenn mich eine neue Mitarbeiterin ‚Chefin‘ nennt, sage ich gleich: Ich bin die Johanna.“
Dauer- und Tagesspezialitäten
Das Sortiment in der Konditorei hat beliebte Fixpunkte. Dienstag ist Plundertag, Mittwoch ist Buchteltag, und am Donnerstag ist Strudeltag. „Am Strudeltag kommen die Leute extra früh, um sich ihren Lieblingsstrudel zu holen“, freut sich Johanna Kemetmüller.
Frucht- und Schokotortenspezialitäten, Windbeutel und -stangerl sowie die beliebten Cremeschnitten und Punschkrapferl gibt es jeden Tag. Ein saisonales Highlightsind die Weihnachtskekse: Jedes Jahr gibt es bei Kemetmüller über 40 Sorten, die auch verschickt werden.
Kultur als Herzensprojekt
Was die Konditorei zu etwas Speziellem macht, ist die Verbindung von Kulinarik und Kultur. Über die Jahre gab es Lesungen von Größen wie Daniel Kehlmann, Barbara Frischmuth und Reinhard P. Gruber, Kabarett und Konzerte mit Blues, Jazz und Volksmusikgrößen. Christine Gigler von der Presshouse Family erzählte bei der Jubiläumsfeier: „Johanna hat ein Herz für uns und für die Region. Sie verwöhnt uns nicht nur mit Süßem, sondern gibt uns eine Bühne und diese Kraft, die von ihr ausgeht.“
Für Johanna Kemetmüller sind die kulturellen Verbindungen auch etwas ganz Besonderes: „Ich sehe die Veranstaltungen als Möglichkeit, ein Stück weite Welt ins Tal zu holen.“
Die Zukunft lernt gerade
Tochter Agnes Leichtfried ist 15 und fest entschlossen, dereinst den Betrieb ihrer Mutter zu übernehmen. Sie hat ihre Lehre im nahen Kirchdorf in der bekannten Konditorei Sturmberger begonnen. „Mir ist es wichtig, dass sie das Handwerk von Grund auf lernt – in einem Betrieb, in dem sie keine Sonderstellung hat“, erklärt Johanna Kemetmüller, „und sie ist mit vollem Einsatz dabei.“
Das Jubiläum selbst spiegelte wider, wofür Kemetmüller steht: Begegnung, Qualität, Zusammenhalt. „In dieser Zeit ist so ein Fest wichtiger denn je“, meinte Moderator Gruber, „wenn Menschen zusammenkommen und gemeinsam etwas erleben, das ist in Zeiten wie diesen unbezahlbar.“
Oder wie es Johanna Kemetmüller selbst formuliert: „Meine Handschrift ist, dass wir ein Treffpunkt sind. Ein Ort, wo man sich begegnet, miteinander redet und eine schöne Zeit verbringt.“