Die Leidenschaft für das Handwerk merkt man den beiden Schwestern an, wenn sie über ihre Produkte sprechen. Das flauschige Dinkelbrot, die resche Handsemmel und die köstlichen Konditorstückchen werden alle in der hauseigenen Backstube gemacht. Auf die lange Teigführung ist man bei Kasses besonders stolz.
„Unsere Brote ruhen 24 Stunden als Vorteig, 24 Stunden als fertig gemischter Teig, und dann nochmals 24 Stunden als fertiges Brot”, erklärt Laura Kasses, die mit 21 Jahren jüngste Bäckerei-Geschäftsführerin Niederösterreichs ist. Die Verantwortung teilt sie mit der 23-jährigen Lena Kasses. Es ist tatsächlich eine gemeinsame Geschäftsführung, getrennte Aufgabenbereiche haben die beiden nicht, auch wenn sich Lena etwas stärker für die Konditorei interessiert, während Laura beim Brot besonders ins Schwärmen gerät.
Obwohl die beiden Schwestern schon in der Kindheit in der Bäckerei „zu Hause” waren, führte ihr Ausbildungsweg erst einmal in andere Berufsbereiche. Sie besuchten die HLF - Höhere Lehranstalt für Tourismus - in Krems und absolvierten danach Praktika in Hotels und Restaurants, bevor die Ausbildung als Bäcker- und Konditormeisterinnen in Wels erfolgte. „Wenn man schon in andere Berufe geschnuppert hat, sieht man die Bäckerei auch mit anderen Augen und kann neue, kreative Ideen einbringen”, erklärt Lena Kasses.
Nachhaltig aus Tradition
Bereits 1925 gründete der Urgroßvater Leopold Kasses die Bäckerei in der kleinen Waldviertler Ortschaft Thaya. Anfangs war die Produktion in Schwarz- und Weißbäckerei getrennt. Mit Lena und Laura Kasses ist heute die vierte Generation am Steuer. Vater Erich Kasses ist seit letztem Jahr in Pension, hilft aber dennoch mit Rat und Tat.
Er hat die nachhaltige Ausrichtung der Bäckerei geprägt: Rohstoffe aus der Region werden zu Produkten aus der Region. Als erster österreichischer Bäcker ließ er sich 2007 zum „Slow Baker” zertifizieren.
Der Roggen für die Backwaren kommt aus dem Waldviertel, besonderes Augenmerk liegt auf alten Sorten wie der Waldstaude und dem Champagnerroggen oder auch dem sibirischen Roggen. Auch alte Weizensorten wie Emmer und Dinkel werden verarbeitet. Der Mohn stammt ebenfalls aus dem Waldviertel und wird für die Füllungen in der Bäckerei direkt gequetscht. Und zwar nur Graumohn, wie Laura Kasses erzählt: „Blaumohn nehmen wir nur zum Bestreuen, als Fülle eignet sich der Graumohn sowohl geschmacklich als auch von der Konsistenz her deutlich besser.”
Eine Osttiroler Getreidemühle sorgt für handwerkliches Vollkornmehl. Derzeit wird der bisherige Öl-Backofen durch einen elektrischen ersetzt, der mit Strom aus der eigenen Photovoltaik-Anlage betrieben wird. Auch auf biologisch abbaubare Verpackung wird geachtet. „Wir wollen den eingeschlagenen Weg weitergehen und Schritt für Schritt noch nachhaltiger werden”, betont Lena Kasses.
Getreidegeister
Unverkaufte Backwaren werden natürlich nicht weggeworfen, sondern entweder wieder zu Quellmehlen für neue Brotspezialitäten vermahlen, oder sie dürfen sogar hochvergeistigt wieder auferstehen. Aus Weißgebäck wird eine Waldviertler Gin-Spezialität, aus Schwarzbrot ein ganz besonderer Edelbrand. Auch ein Waldviertler Brot-Whisky schlummert im Fass und sollte bald Verkostungsreife erreicht haben. „Wir haben alles so gelöst, dass es kaum Abfälle gibt”, erklärt Laura Kasses stolz.
Ein starkes Team
Viele der 38 MitarbeiterInnen der Bäckerei sind seit Langem dabei, einige von ihnen haben die jungen Geschäftsführerinnen noch als Kinder gekannt. Um Anerkennung müssen sie trotzdem kaum kämpfen. „Ich würde nicht sagen, dass der Übergang schwierig war, aber spannend war es für uns schon, die ganze Verantwortung zu übernehmen”, erzählt Lena Kasses. Für das Team haben beide nur Lob: „Die Arbeit in der Bäckerei ist von gegenseitigem Vertrauen geprägt, man kann über alles reden. Durchsetzungsvermögen braucht es schon manchmal, aber das bringen wir beide mit.”
Auch in der Lehrlingsausbildung sind die beiden aktiv. Besonders Laura Kasses belässt es in der Lehre nicht beim „wie”, sondern arbeitet daran, den NachwuchsbäckerInnen auch Theorie zu vermitteln. „Es ist wichtig, dass die Lehrlinge wissen, warum sie etwas machen. Wenn man einem nur sagt, mach das so und so, und er versteht den Sinn dahinter nicht, dann wird aus ihm kein guter Bäcker werden.” Auch Lena Kasses bemüht sich aktiv um die Ausbildung. Gerade in der Coronazeit gibt es auch ganz neue Herausforderungen im Distance Learning. „Da kommt dann die Aufgabe, der Lehrling soll zu Hause eine Malakofftorte backen. Aber wie soll er das schaffen, wenn er das noch nie gemacht oder auch nur gesehen hat? Da stellt man sich halt dazu und erklärt und hilft”, erzählt sie und setzt hinzu: „Das ist dann auch eine fast meditative Aufgabe, eine Abwechslung zum täglichen Geschäft.”
Filialen hat die Bäckerei Kasses nicht, dennoch kann man das nachhaltige Brot weithin kaufen. Ausgewählte Nahversorger im Waldviertel und in Wien haben die Waldviertler Schmankerl in ihren Regalen. Langweilig wird das Bäcker-Geschäft jedenfalls nicht. Sobald die Lage es zulässt, sollen auch die Genusspartys im Getreidefeld wieder aufgenommen werden, deren Erlös karitativen Zwecken zukommt.