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Karin und Julius Kern sind die dritte Generation in der Grazer Bäckerei Kern. © Andrea Sturm

Reportage

Ein bisschen anders backen

Ein Artikel von Andrea Sturm | 15.03.2023 - 12:43

Das Stammhaus der Bäckerei Kern liegt in Mariatrost und macht schon von außen einen sympathisch gewachsenen Eindruck. Für einen Freitagvormittag herrscht im zugehörigen Café ausgesprochen reger Betrieb,  auch im Verkaufsraum sammeln sich Kunden beim Warten auf ein gutes Brot. Trotz des Andrangs wirkt das  Personal gut gelaunt, die Transaktionen sind effektiv, aber ohne Hektik. Wie schafft ein Unternehmen mit Stammhaus und 13 Filialen so eine familiäre Atmosphäre?

Mit hochwertigen Produkten, einem betont serviceorientierten Personal und dem Fokus auf die Bedürfnisse der Kunden, erklärt Julius Kern: „Das Unternehmen hat schon sehr früh auf die Kombination von Bäckerei und Gastronomie gesetzt. Mein Großvater hat die Bäckerei gegründet, meine Großmutter betrieb das zugehörige Café Patrizia, das damals weniger Konditorei als Bar war. Wir haben nie aggressiv expandiert, sondern sind über die Jahrzehnte eher organisch gewachsen.“

Gutes Personal zu finden, ist aber bekanntlich nicht einfach, das weiß auch Julius Kern: „Wir setzen auf langjährige Mitarbeiter, aber in neuen Filialen ist es anfangs immer schwierig. Bis sich ein Team gefunden hat und das Vertrauensverhältnis hergestellt ist, braucht es Zeit.“ Danach ist Kommunikation der Schlüssel. „Wir bemühen uns, für die Mitarbeiter ansprechbar zu sein. Bei unserer Größe geht das noch sehr gut“, so Kern.

Logische Quereinsteiger

Julius Kern studierte Betriebswissenschaften, seine Schwester Karin Jus. Dennoch war die Übernahme der  Bäckerei keine überraschende Entscheidung. „Wir waren von Kindheit an immer im Betrieb mit dabei“, erzählt  Karin Kern, „auch wenn man zwischendurch etwas anderes macht – das Familienunternehmen ist immer  präsent, und wir haben auch schon früh Aufgaben übernommen.“ Die Geschwister teilen sich die Geschäftsführung: Während Karin Kern sich vorwiegend auf interne Belange und Personal konzentriert, ist Julius Kern für die Produktion und für neue Filialen zuständig. „Ich habe mich immer für Design interessiert“, erzählt er. Die Eltern sind ebenfalls noch im Betrieb und stehen mit Rat und Tat zur Seite.

Individualität und Kundenbindung

Anstatt auf ein einheitliches Branding zu setzen, bemüht man sich im Hause Kern, jedem Standort seinen  eigenen Charakter zu geben. Jede Filiale hat ihr eigenes Publikum, und das soll auch überall optimal bedient

werden. „Natürlich ist es wichtig, überall die gleiche hohe Produktqualität zu bieten“, betont Julius Kern, „aber ebenso wichtig ist es, auf die Kunden einzugehen. Deshalb lassen wir dem Servicepersonal durchaus Freiheiten.“

So werden etwa Snacks und Sandwiches nicht in der Zentrale vorproduziert, sondern direkt in den Filialen zubereitet, sodass auch Sonderwünsche bedient werden können. Ist trotz aller Bemühungen einmal ein Kunde unzufrieden, setzen die Kerns auf Kommunikation. „Wenn es eine Beschwerde gibt, rufen wir zurück und versuchen die Sache zu klären. Das macht nicht irgendwer, sondern entweder meine Schwester oder ich, oder zumindest die jeweilige Filialleitung“, betont Julius Kern.

Stammkunden zu jeder Tageszeit

Die Bäckerei Kern legt großen Wert auf ein vielfältiges Frühstücksangebot in den Filialen. Mittagsmenüs sind  ebenfalls ein wichtiges Thema. Sie werden an zwei Standorten frisch gekocht. „Frisch“ bedeutet für Julius Kern auch den Verzicht auf Fertigprodukte. Und mit dem Nachmittagskaffee ist der Konditorei-Tag nicht vorbei: „Weil wir in unseren Cafés auch Schankanlagen und ein breites Getränkeangebot haben, kommen die Kunden gerne nach Feierabend und gönnen sich ein Brötchen und ein Glas Wein“, erzählt Julius Kern. Individualität und der gute Service sind auch der Grund dafür, dass sich sowohl das Stammhaus als auch die Filialen über zahlreiche Stammkunden freuen dürfen, ist Kern überzeugt.

Konsequente Kontinuität

Julius Kern I., Großvater der aktuellen Generation, hatte den Betrieb 1953 gegründet und mit seinem „Edelweiß-Brot“ gleich ein Qualitätszeichen gesetzt. Man sagt, er habe sich dem Bäckerhandwerk verschrieben, weil er kein Brot finden konnte, das nach seinem Geschmack war. Julius Kern II. ist Bäcker und Konditormeister und begann nach der Betriebsübernahme in den 80ern mit der Filialisierung. Auch die Konditorei kam zu dieser Zeit hinzu. Die Produktion war immer in Mariatrost, und das soll auch so bleiben. „Sicher ist es ein bisschen umständlicher als in einem Neubau, und wir müssen auch Rücksicht auf die Bedürfnisse der Anwohner nehmen, aber bislang funktioniert das sehr gut“, erklärt Julius Kern III.

Sowohl die Backstube als auch das Café haben im Laufe der Jahrzehnte mehrere Erweiterungen und Umbauten erlebt. Mittlerweile arbeiten in der Bäckerei 16, in der Konditorei zwölf MitarbeiterInnen an der Produktion. Neben den eigenen Filialen werden auch 150 Wiederverkäufer mit den Kern'schen Köstlichkeiten beliefert, darunter Gastronomie und Hotellerie sowie Pflegeheime.

Während Bio in der Bäckerei Kern derzeit kein Thema ist, ist Regionalität den Geschwistern ein Anliegen. Die Äpfel im Strudel kommen aus der direkten Nachbarschaft, Milchprodukte wie Butter und Topfen aus dem Murtal. „Natürlich könnten wir einiges an Rohstoffkosten sparen, wenn wir beispielsweise Mehl aus dem europäischen Ausland einkaufen würden, anstatt aus Österreich“, weiß Julius Kern, „aber heimische Ware zu verwenden ist nicht nur eine Qualitätsfrage, sondern wird von den Kunden auch nachgefragt.“

Sanfte Modernisierung

Die Prozesse in der Produktion werden immer wieder an die Erfordernisse angepasst. „Wir verwenden generell  keine Backvormischungen, wir wollen den Kunden individuellen Geschmack bieten“, betont Julius Kern, „und  wir setzen auf Handarbeit, wo immer das sinnvoll ist.“

In naher Zukunft stehen wieder Modernisierungen in der Backstube an. Ein wichtiges Thema ist für Julius Kern die Erweiterung der Langzeit führung. Die Investition in die dafür nötige Kühlung bringt gleich zwei Vorteile:  einerseits geht es natürlich um die Qualität und den Geschmack der Produkte, andererseits ermöglicht das neue Konzept auch eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten für die Mitarbeiter in der Bäckerei. „Es sind vor allem die Nachtarbeit und die Sechs-Tage-Woche, die es schwierig machen, Mitarbeiter für die Backstube zu finden. Deshalb wird das auch eine Investition in die Zukunft sein“, betont Kern.