AMA-Symposium

Fleisch ist Kultur

Ein Artikel von Andrea Sturm | 10.06.2021 - 13:54
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Das AMA-Fleischforum 2021 (v.l.): Martin Greßl (AMA-Qualitätsmanager), Wilhelm Windisch (TU München), Peer Ederer (Global Food & Agribusiness Network), Daniel Kapp (Kommunikationsexperte) und Moderator Werner Prill bei der Diskussion. © AMA/APA/Rastegar

Michael Blass, Geschäftsführer der AMA-Marketing, definierte zu Beginn die Aufgabe des AMA-Fleischsymposiums und die Rolle der AMA: „Wir hören genau zu, welche Bedürfnisse die Fleischbranche hat. Gleichzeitig hören wir auf die Bedürfnisse der Gesellschaft und spiegeln diese – einem Resonanzkörper gleich – zurück an die Branche. In einer Zeit, in der Fleisch und seine Produktion so stark in der Kritik stehen, ist es unabdingbar, Informationen und Botschaften gut abzustimmen und die Kommunikation zu bündeln“, betonte Blass.

Selbstbestimmte Veränderung

Kommunikationsexperte Daniel Kapp verortet die Diskussionen in zwei Themenkreisen: einerseits die systemische Debatte, n der es um Klimawandel, Flächenverbrauch und andere globale Themen geht, andererseits die ethische Debatte um Tierrecht und Tierschutz. Die Tierrechtsbewegung lehnt Nutztierhaltung grundsätzlich ab, weil sie Tiere als dem Menschen gleichberechtigten Wesen ansieht. „Gewinnen kann man solche Diskussionen nicht“, so Kapp, daher empfiehlt er, jeglicher Dogmatisierung mit geringem Aufwand, aber großem Liberalismus zu begegnen. „Jeder kann sich so ernähren, wie er möchte“, meint Kapp.

Mehr Aufmerksamkeit sollte seiner Meinung nach in die Diskussion um den Tierschutz investiert werden. „Die Branche muss die Kritik ernst nehmen. Man kann es nicht allen recht machen, aber man sollte die Angriffsfläche minimieren und ernsthafte Selbstreflexion betreiben“, so Kapp. Der Kommunikationsexperte empfiehlt, Kritik mit eigenen Visionen entgegenzutreten, Veränderungen selbstbestimmt voranzutreiben und zu kommunizieren. „Die Information und Vermittlung der Standpunkte brauchen Begeisterung. Das kann sich die Branche von ihren Kritikern abschauen“, bekräftigt Kapp.

„Fleisch ist eine Kultur“, betonte Kapp, „eine Kultur, die Herkunft und Regionalität hochhält, und eine Kultur im Umgang mit dem eigenen Lebensraum.“ Darauf müsse man sich besinnen, und das sei die Perspektive, aus der die Fleischbranche agieren müsse.

Zu Unrecht in der Kritik

Betriebswirt Peer Ederer, unter anderem Programm- und Wissenschaftsdirektor des Global Food & Agribusiness Network, vertrat in seinem inhaltlich zugespitzten Referat pointierte Positionen. Damit lag er auf der Linie des von ihm verfassten Buches über populäre „Fleischirrtümer“. Ederer sieht Fleisch zu Unrecht in der Kritik. Für seine Positionen führte er Beispiele aus den Bereichen Ernährung, Umwelt und Ökologie ins Treffen. So sei etwa die Studie aus 2018, die rotes Fleisch als Darmkrebs-Verursacher ausmachte, im Nachhinein weitgehend entkräftet worden, die Neubetrachtung habe aber kein Medienecho erzielen können. Der Vortragende ist sich im Klaren, dass einige seiner Inhalte stark polarisieren, und er möchte diese Wirkung bewusst erzielen, denn er vertritt den Standpunkt, dass auch die fleischkritischen Gruppierungen keineswegs nur mit „feiner Klinge“ kämpfen.

In der Diskussion ortete Ederer einen Kulturkrieg. „Vielen geht es beim Thema Fleisch nicht um Fakten und Wissenschaft, sondern um eine Weltanschauung“, so Ederer.

Keine Ressourcenverschwendung

Wilhelm Windisch unterrichtet an der TU München und beschäftigt sich intensiv mit der Frage,  ob wir auf fleischliefernde Nutztiere verzichten können. Der Wissenschaftler erklärte anschaulich die Gesamtbilanz der Lebensmittelproduktion und welche Rolle dabei dem Fleisch zukommt. Ein Kilogramm pflanzliche Lebensmittel erzeugt laut Windisch vier Kilo nicht essbarer Biomasse.

„Tiere – und vor allem Wiederkäuer – sind die Einzigen, die die nicht essbare Biomasse verwerten und dadurch zusätzliche Lebensmittel erzeugen können. Darauf sollten wir aus Effizienzgründen nicht verzichten“, so Windisch.

Insekten sieht Windisch als mögliche und sinnvolle Ergänzung zur traditionellen Fleischproduktion, wenn diese mit nicht essbarer Biomasse gefüttert werden. Die Produktion von Kunstfleisch hält er für ineffizient, da die dafür notwendigen Nährlösungen aus essbarer Biomasse hergestellt werden. „Es wäre also effizienter, diese Pflanzen gleich direkt zu essen. Mit In-vitro-Fleisch ist es lediglich eine Verschiebung“, so Windisch.

AMA-Masterplan zum Thema „Schweinefleisch“

Martin Greßl, Leiter des AMA-Qualitätsmanagements, stellte den mittel- und langfristigen Masterplan zur Weiterentwicklung des AMA-Gütesiegels bei Schweinefleisch vor. Derzeit werden jährlich rund zwei Millionen Schweine im AMA-Gütesiegelprogramm gehalten, 100.000 Schweine unter „mehr Tierwohl“ und zusätzlich rund 100.000 Schweine biologisch. Ziel der AMA ist es, diese besonderen Produktionssparten auszubauen und bis 2030 eine Million „Schweine ohne Vollspalten“ abzudecken. Neben dem Ausbau der freiwilligen Module will die AMA auch die Basisanforderungen schrittweise anheben.

Auch zur derzeit im Parlament diskutierten Umstellung auf GVO-freie Futtermittel liegt ein Plan der AMA vor. Die GVO-freie Fütterung soll als Gesamtpaket mit den besonderen Haltungsformen eingeführt werden, also mehr Tierwohl und europäisches Soja. „Die Mehrkosten der Umstellung müssen nachhaltig auf dem Markt erlösbar sein. Daher sehen wir die Chancen vor allem in Segmenten, die auf langfristige Lieferverträge und Partnerschaften setzen“, so Greßl.

Maßnahmen zur Fleischqualität sind ebenfalls im Masterplan enthalten. Mit 2022 soll ein Monitoring des Antibiotikaeinsatzes – ähnlich wie bei Geflügel – verpflichtend vorgeschrieben werden. Da der Fettgehalt für den Geschmack wesentlich ist, sind Adaptierungen bei der Fütterung geplant. „Zu mageres Schweinefleisch schmeckt nicht gut. Fett muss wieder wertvoller werden“, meint der AMA-Qualitätsmanager. Darüber hinaus hat die AMA eine wissenschaftliche Forschungsgruppe initiiert, die sich mit den Ursachen und Gegenmaßnahmen von geschmacklichen Fehlern bei Schweinefleisch beschäftigt.

Der AMA-Masterplan für die Weiterentwicklung liegt nun als Diskussionspapier auf dem Tisch. „Wir werden das Paket in den nächsten Wochen intensiv besprechen und ich ersuche alle, sich aktiv beim Feintuning der Maßnahmen einzubringen. Der Markt verlangt Differenzierung und Wertigkeit.

Mit dieser Weiterentwicklung können wir wertgebende Themen für die gemeinsame Kommunikation schaffen und die Kritik am Fleisch reduzieren“, fasste Greßl die Strategie der AMA zusammen.