Herr Innungsmeister, Wie geht es den Müllern in der Corona-Krise?
Wiesbauer: Grundsätzlich geht es der Branche derzeit nicht schlecht, wir sind kritischer Infrastrukturerhalter und Lebensmittel werden in Zeiten der Krise genauso benötigt. Vielleicht lernt der Konsument beziehungsweise die Politik, das auch wieder mehr zu schätzen, und erkennt den Wert einer regionalen Versorgungsstruktur mit kurzen Lieferketten.
Bäcker klagen über Absatzschwund und brauchen daher wohl weniger Rohmaterial. Können die Mehl-Hamsterkäufe und die neue Lust am privaten Backen die dadurch entstehenden Verluste halbwegs ausgleichen?Wiesbauer: Wir haben natürlich auch große Änderungen bzw. Verwerfungen. Eine Mühle im Westen wird durch den Wegfall des Tourismus den Absatz mit Kleinpackungsmehl nicht wettmachen können. Auch gibt es Betriebe, die Teigling-Produzenten beliefern und jetzt Umsatzeinbußen haben, da der Konsument vermehrt auf abgepackte Ware greift. Zweifellos sind derzeit Mühlen mit Schwerpunkt Kleinpackung die Gewinner, aber man wird sehen, wie lange der Trend zum Selber-Backen anhält. Je mehr wir in Richtung „Normalität“ gehen, umso mehr haben wir wieder die alten Konsumgewohnheiten.
Wie beurteilen Sie die Krisenkommunikation der Regierung? Waren die Informationen rechtzeitig und vollständig?
Wiesbauer: Ich glaube, der Regierung kann man keine Vorwürfe machen, die Maßnahmen waren alternativlos. Dass in der Eile oft kleinere Fehler passieren, liegt in der Natur der Sache. Bei den Grenzregelungen für Pendler und LKW Fahrten in Nachbarländer war das anfangs mit lange Wartezeiten verbunden – das lag aber in erster Linie an den Grenzschließungen der Nachbarn.
Welche Herausforderungen gibt es derzeit für die Betriebe?
Wiesbauer: Aus Risikogründen haben viele Betriebe derzeit zwei Teams: Team A arbeitet von Montag bis Mittwoch, Team B von Donnerstag bis Samstag. Es darf zur Zeit keiner auf Urlaub, auch. Krankenstand würde eine schlimme Unterbesetzung bedeuten. Es wäre daher ganz wichtig, dass unsere Mitarbeiter, nicht im Herbst zum Präsenzdienst einberufen werden. Unsere Forderung daher:
Kein Präsenzdienst 2020/21 für Mitarbeiter in kritischen Versorgungsbetrieben!
Wie wirken sich die internationalen Beschränkungen auf die Logistik aus?
Wiesbauer: Die internationalen Beschränkungen werden zu einer Verteuerung der Transporte führen. Der Fahrermangel, den wir schon vor der Corona Krise hatten, wird sich verschärfen und durch die Grenzschließungen kommt es zu langen Wartezeiten. Wir hoffen, dass auch die kleineren Grenzübergänge wieder geöffnet werden, da derzeit oft große Umwege genommen werden müssen. Die funktionierende Umsetzung von „Green Lanes“ für Waren der kritischen Infrastruktur, wie von den EU Verkehrsministern bereits am 18.3.20 in Aussicht gestellt, wäre dringend notwendig.
Lässt sich abschätzen, ob sich die Krise auch auf die heimischen und internationalen Getreidepreise auswirken wird?
Wie sich die Corona Krise auf die Preise auswirkt, ist schwer zu beurteilen. Wir kennen weder das Konsumverhalten noch den weltweiten Verbrauch von Getreide im Falle dieser Pandemie. Es wird auch entscheidend sein, ob Nationalstaaten plötzlich ein Exportverbot oder Einschränkungen beschließen (so wie Russland derzeit), das würde die weltweiten Preise genauso wie die allgemeine Wettersituation mit der derzeitigen Trockenheit massiv beeinflussen.
Wie schätzen Sie die langfristigen Auswirkungen in der Mühlenbranche und im Lebensmittelbereich generell ein?
Wie bereits eingangs erwähnt, können wir uns glücklich schätzen, in der Lebensmittelsparte zu arbeiten. Andere Branchen haben es jetzt ungleich schwerer. Wichtig wird es allerdings sein, dass der Tourismus wieder anspringt, da wir bei 170 Millionen Nächtigungen pro Jahr viele Urlaubsgäste mitversorgen – und das spüren im Lebensmittelbereich alle sehr unmittelbar!